Berliner Wahlen - eine Einschätzung

Es geht um weit mehr, als nur um das Rote Rathaus! 28% der CDU reichen nicht für einen Regierungsauftrag -

 

„Berlin ist nunmal anders! - politischer, vielfältiger, radikaler als im „langweiligen NRW“, so Fotis Matentzoglou, welcher das heiße Wochenende vor den Wahlen in Berlin die politische Stimmung aus nächster Nähe erlebt hat.

Die Berliner CDU gewinnt die Wahlen klar – hat aber gerade nach dem Nichteinzug der FDP keine Verbündeten für eine Regierungsmehrheit – Die SPD verliert 10 %, kann sich mit nur etwas mehr als 100 Stimmen als zweitstärkste Partei vor den Grünen behaupten, verliert dabei viele Direktmandate.  Eins davon, Franziska Giffey, die in Neukölln ihren Wahlkreis verlor. DIE LINKE. bleibt trotz der tiefen Krise der Bundespartei in Berlin mit 12% zweistellig, die AFD behauptet sich in Ostberlin und erringt in diesen Teilen sogar Direktmandate – „Berlin ist nunmal anders! - politischer, vielfältiger, radikaler als im „langweiligen NRW“, so Fotis Matentzoglou, welcher das heiße Wochenende vor den Wahlen in Berlin die politische Stimmung in Berlin aus nächster Nähe erlebt hat.


Wegner gewinnt die Schlacht, die Übernahme des Roten Rathauses bleibt in weiter Ferne

Für die regierende Bürgermeisterin wird es eng! Gründe gibt es genug, von Fehlern, nicht umgesetzten Wählerwillen und Silversternächten. Die Berliner Wahl wird zum Politikum, nicht weil es einen möglichen Wechsel geben könnte – es geht um weitaus richtungsweisendere politische Entscheidungen!

Die CDU hat einerseits durch eine Antistrategie gegen die Dreierkoalition mit dem Slogan „Berlin, wähl dich neu“ und „Lass Dir das Auto nicht verbieten“ vor Allem gegen die  Mobilitätswende in der Hauptstadt versucht, auf Stimmenfang zu gehen. Andererseits begünstigten die Vorfälle in der Silversternacht den strikt nach rechts gerichteten „Merz´schen Kurs ala Auto-Pashas-Armenhass“. Eine Verkehrs- und Mobilitätsstrategie der 80er, mehr Auto, mehr Parkplätze, möglichst weniger Raum für Fahrradstraßen, Abschaffung des 9€-Sozialtickets in Berlin. Dazu die Vorgänge in der Silvesternacht und rechter Populismus!

Dies alles hat zum Wahlerfolg geführt, aber repräsentiert dieser Kurs auch Berlin?  - in keinster Weise bilden diese 28%  die Gesellschaft in Berlin ab! Zwar ist die CDU stärkste Kraft geworden, wie lange diesen kurzen Sieg feiert, ist aber eine andere Frage. „Berlin ist eben Hipsterland“, die CDU wird sich schwer tun, zumal sie durch den rechten Kurs, den sie eingeschlagen hat, gerade in der Hauptsatdt den im Bund eher linken Landesverbänden von SPD und Grünen entgegensteht.


FDP am Boden, AfD feiert in den östlichen Bezirken

Sowohl die FDP, als auch die AfD haben ihr Ziel verfehlt. Die FDP ist an der 5% Hürde gescheitert und nun nicht mehr im Abgeordnetenhaus vertreten. Ein Schlag auch für Wegners CDU, der auf einen verlässlichen Juniorkoalitionspartner gehofft hat.

Die AfD hat sich zum Ziel gesetzt, ein zweitstelliges Ergebnis zu erreichen- daran sind Sie mit knapp 9% der Stimmen gescheitert. Erfolge konnten Sie jedoch vor Allem im Osten von Berlin feiern. In Bezirk Marzahn-Hellersdorf gingen 2 von 6 Direktmandaten an die AfD, der Rest an die CDU. Bei den Zweitstimmen in diesem Bezirk lag sie mit 19% als zweitstärkste Partei noch vor der SPD. Aber auch in den Bezirken Lichtenberg, Treptow-Köpenick konnten zweistellige Ergebnisse geholt werden. Im westlichen Teil von Berlin, mit Ausnahme von Spandau, wäre dies undenkbar.     


Regierungsbeteiligung unter der CDU wäre Selbstmord für SPD und Grüne

Wegner hat den Regierungsauftrag, die Frage wird aber sein: „Wer geht mit?“. Giffey würde politischen Selbstmord begehen, als Juniorkoalitionspartnerin in einer GroKo unter Wegner bereitzustehen, möchte weiter als regierende Bürgermeisterin das „Rote Rathaus“ weiterführen.Die SPD Basis hat sich bereits in Zeiten der GroKo im Bund sehr oppositionell gezeigt, würde lieber das alte Dreierbündnis mit Grünen und Linken fortsetzen.

Die Grünen haben zwar Erfahrungen mit Schwarz-Grün, wie zuletzt bei unseren Wahlen in NRW, in Berlin jedoch hat man sich strikt dagegen positioniert. Nach Gesprächen mit Grünen Wahlkämpfern habe sich vor allem eins gezeigt – man hat Angst in den eigenen Reihen Mitglieder durch eine „reaktionäre“ Regierungsbeteiligung zu verlieren. „Berlin ist eben Hipsterland, hier ringen wir um linke, progressive Wähler“, das würde den Grünen keiner verzeihen.


Progressive Mehrheiten in einer linken Stadt – das Dreierbündnis SPD-Grüne-Linke

Das Berlin als eher linkes Land zählt ist nichts Neues. Die „Parlamentarische Linke“ rund ums Dreierbündnis Rot-Grün-Rot kommt dabei auf ca. 50% der Wählerstimmen, in Sitzen wären sie dabei bei etwa 90 von 159 Sitzen repräsentiert und somit mehr als regierungsfähig. Dies wird durch die zahlreichen „linken und progressiven“ außerparlamentarischen Parteien und Initiativen und Splittergruppen noch weiter in der Wählergunst aufzeigt, so wie etwa die Tierschutzpartei (2,4%), die Partei Die PARTEI (1,4%), Volt (0,9%) und viele Weitere. Egal ob im Parlament oder außerparlamentarisch, diese Parteien und deren Wähler vereint eins – die Abneigung einer CDU-geführten Regierung im Abgeordnetenhaus.

Wenn seitens Wegner keine Koalition zustande kommt, werden Koalitionsgespräche durch Franziska Giffey geführt werden müssen. Die Verhandlungsposition der SPD ist im Gegensatz zur letzen Wahl sehr geschwächt, was weitere Kompromissbereitschaft für ihr unangenehme Positionen bescheren wird. Grüne und vor Allem Linke warten sind bereit, härter zu verhandeln. Klimaschutz, Armutsbekämpfung, alternative Mobilität, Investitionen in Integration, Soziales. Der Wählerwillen der mittlerweile nicht mehr so kleinen Koalitionspartner muss auf den Verhandlungstisch.

Apropos den Wählerwillen umsetzen – da war doch was? Interessant wird vor Allem, wie Giffey mit dem Volksentscheid „Deutsche Wohnen &Co. Enteignen“ umgehen wird. Es geht um das strittige Thema bezahlbarer Wohnraum.


Fransziska Giffey und der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“

Der Berliner Volksentscheid, der vom Bündnis „Deutsche wohnen & Co enteignen“ schon vor den letzten Berliner Wahlen 2021 initiiert worden ist, ist auf breite Zustimmung in der Hauptstadt gestoßen. Fast 60% der wahlberechtigten Berlinerinnen und Berliner haben sich für eine Vergesellschaftung entschieden. Der Wählerwille wurde allerdings nicht umgesetzt – gerade Franziska Giffey hat sich als Gegnerin des Volksentscheids medial in den Vordergrund gestellt - auch das ist ein Zeichen der Abstrafung, gerade im so regierungskritischen Berlin.

Nach der Wiederholungswahl soll es nun wohl anders kommen. Mittlerweile bekennt sich ein großer Teil der SPD-Basis zur Vergesellschaftung und Umsetzung des Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Ein entsprechender Antrag wurde auf dem letzten Parteitag eingebracht. Die Basis der SPD ist sich bewusst, die Vergesellschaftung wird zukünftig bezahlbaren Wohnraum in der Hauptstadt bieten können.

Menschen vor Profite, so sehen es auch Teile der Grünen und nicht zuletzt der Juniorkoalitionspartner DIE LINKE, die mit dem Slogan „Löhne rauf, Mieten runter“ in den Wahlkampf ging.  Die Linke habe sich bereits nach dem Entscheid positiv dafür ausgesprochen, den Wählerwillen umzusetzen. Auf Druck der Berliner Linken wurde eine Expertenkommission zur Ausarbeitung von rechtlichen Möglichkeiten, um einen Gesetzesentwurf auf den Weg zu bringen, gegründet. Erste positive Ergebnisse hat die Expertenkommission schon auf den Weg gebracht. So sei es möglich, Vergesellschaftung stattfinden zu lassen. Eine abschließende Beurteilung wird es im April 2023 geben.  

Nun sieht die Stimmung anders aus. Wird es eine Einigung geben? Falls es erneut zu einer Rot-grün-Roten Koalition kommen sollte, wird dieses Thema eines der historischten und revolutionärsten politischen Richtungsentscheidungen in der Bundesrepublik. Fakt ist, der Volksentscheid ist umzusetzen, die Berlinerinnen und Berliner haben gewählt und  sich für die Vergesellschaftung entschieden, für bezahlbaren Wohnraum und ihre Kieze, die sie nicht  kampflos übergeben wollen. Das Problem der überteuerten Wuchermieten und Verdrängung der jahrelang dort ansässigen Bewohnerinnen und Bewohnen hat politischen Zündstoff, umso wichtiger ist es, den demokratischen Willen nun umzusetzen.