Redebeitrag zum 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion

Anlässlich der heutigen Mahnwache auf dem Heinrich-König-Platz zum 80. Gedenktages des Überfalls von Nazideutschland auf die damalige Sowjetunion hielt unsere Stadtverordnete Bettina Peipe nachfolgende Rede.

Meine Damen und Herren, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
am 8. Mai 1945 endete der schlimmste, mörderischste Krieg, den diese Erde bis zu diesem Zeitpunkt je erlebt hatte.
Dieser Krieg, von deutschen Faschisten begonnen, brachte 60 Millionen Menschen ums Leben, mordete Kinder, Frauen, Alte, Soldaten und Zivilisten gleichermaßen. Er hinterließ Zerstörung und Leid.
Am 22. Juni 1941begann unter dem Namen „Unternehmen Barbarossa“ der verbrecherische Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion. Der Überfall kostete 27 Millionen Sowjetrussen das Leben. Trotz der Schuld, die Deutschland damit auf sich geladen hat, lehnten sowohl die Bundesregierung als auch der Deutsche Bundestag ein offizielles Gedenken ab. Das ist eine solch ungeheuerliche Entgleisung, dass es einem die Sprache verschlägt. Es ist ein Skandal, der die sowjetrussischen Opfer dieses mörderischen Vernichtungskrieges noch nachträglich besudelt und entehrt.
Seit Jahren versucht eine in Teilen fehlgeleitete, deutsche Erinnerungskultur diesen Teil unserer Schuld unsichtbar zu machen und sie aus dem Gedächtnis der Deutschen zu tilgen.
Man versucht Organisationen wie der VVN die Gemeinnützigkeit zu entziehen, verunglimpft Esther Bejarano, eine aufrechte Antifaschistin, weil sie andere Lehren aus der deutschen Geschichte gezogen hat, als das offizielle Berlin.
Das Europäische Parlament versucht sich an Geschichtsklitterungen mit unsäglichen Erklärungen, die die Schuld am zweiten Weltkrieg Deutschland und Sowjetrussland gleichermaßen zuschieben wollen. Eine weitere Entgleisung, die man kaum glauben möchte und die ein Maß an Geschichtsvergessenheit offenbart, das einen schaudern lässt.
Es gibt von interessierter Seite Versuche neue Feindbilder gegenüber Russland

und China aufzubauen, Kriege werden zu „humanitären Einsätzen“ umgelogen, sie zu führen nennt man heute „Verantwortung übernehmen“. Derartiger verbrecherischer Unsinn wird selbst von angeblich progressiven Kreisen und deutschen Kirchenoberen wiedergekäut, wie dem Essener Bischof Overbeck.
Deutsche Kirchentage lassen sich einspannen für Kriegspropaganda, indem Menschen wie Barack Obama und Jens Stoltenberg eingeladen werden. Deutsche „Christen“ -man mag sie eigentlich nicht so zu bezeichnen – bejubeln diese Leute wie unkritische Groupies.
Die Bundeswehr darf in Schulen, auf Job-Börsen und auf Spiele-Messen für ihr blutiges Handwerk werben, so als wäre Soldat-sein ein Beruf wie jeder andere. Es geht bei diesen Hochglanzauftritten immer nur um Aufstiegschancen und Kitas, nie um abgerissene Gliedmaßen, Blindheit und Kriegstraumatisierungen. Auch die Opfer finden bei diesen abstoßenden Werbeveranstaltungen nie Erwähnung.
Im Fernsehen laufen harmlos daherkommende Dokusoaps, die den angeblichen Alltag bei der Truppe zeigen und Dokumentationen, besser wohl Werbefilme, für deutsche Rüstungsgüter. Solche Dinge wären vor 20 Jahren völlig undenkbar gewesen. Allein das zeigt die geistige Verwahrlosung, die hier in den letzten Jahren um sich gegriffen hat.
Die ununterbrochene Verunglimpfung Russlands in den Medien, die weit über berechtigte Kritik hinausgeht und nur dazu dient, ein eingeübtes Stereotyp aufrechtzuerhalten, widert geradezu an, denn die Absicht dahinter ist nur allzu offensichtlich. Will man Aufrüstung rechtfertigen, braucht man einen veritablen Feind.
Dass Medien einer Friedenpflicht unterliegen, wird schon lange ignoriert.
Wir müssen zurück zu einer Sprache der Verständigung, zurück zu einer Außenpolitik, die sich um Aussöhnung und ein gutes Verhältnis zu Russland

bemüht und darum, auch die russischen Interessen zu achten. Wir müssen weg von Sanktionsdrohungen, Verunglimpfungen und unsäglichen Doppelstandards.
Solange die sogenannte „westliche Wertegemeinschaft“ mit ihren völkerrechtswidrigen Kriegen und Drohneneinsätzen eine Spur der Zerstörung hinterlässt, „failed states“ am Fließband produziert und Kopf-ab-Despotien mit Waffen ausrüstet, haben wir wohl kaum das Recht, andere über Menschenrechte zu belehren. Für Hochmut, Selbstüberhöhung und Arroganz sollte da kein Platz sein. Stattdessen wäre angesichts unserer Geschichte Demut angesagt.
Was wir brauchen ist Frieden, Verständigung und eine Erinnerungskultur, die nicht in Ritualen erstarrt.
Wir brauchen eine Politik, die glaubwürdig den wiederaufkeimenden Faschismus und Antisemitismus bekämpft, aber auch eine Politik, die sich um ein friedliches Miteinander der Völker bemüht, in der humanitäres Völkerrecht wieder Gültigkeit erlangt und die sich gegen die massive Aufrüstung stellt, die seit Jahren auch vom Westen betrieben wird.
Seit der Wiedervereinigung sind die Rüstungsausgaben weltweit um über 80 Prozent gestiegen, Tendenz steigend, bewaffnete Konflikte, die teilweise zu humanitären Katastrophen führen, nahmen rapide zu.
Krieg wird wieder als Mittel der Politik betrachtet und das im 21. Jahrhundert. Selbst das Führen von begrenzten Atomkriegen mit Mini-Nukes wird in westlichen Think-Tanks und der NATO ernsthaft ventiliert.
Man sollte denken, dass angesichts des großen Schlachtens während des zweiten Weltkriegs und angesichts der Bomben auf Hiroshima und Nagasaki, Menschen, die so etwas auch nur andenken, in einer geschlossenen Anstalt landen würden, aber stattdessen sitzen sie in einflussreichen militärischen und außenpolitischen Zirkeln.
Derartigen Fehlentwicklungen gilt es sich entgegenzustellen.

Der Gewinn des internationalen Waffenhandels ist so groß, wie das Einkommen der einen Hälfte der Weltbevölkerung. Hier werden Ressourcen in einem unfassbaren Ausmaß verschwendet, die für andere Zwecke, wie die
Bekämpfung des Klimawandels und das Auffangen der schlimmsten sozialen Verwerfungen durch denselben, dringend benötigt würden.
Krieg muss in der heutigen Zeit geächtet werden. Stattdessen erleben wir ein erneutes Aufkommen rassistischer, militaristischer und faschistischer Bestrebungen. Wir erleben, dass man der Verantwortung gegenüber den 60 Millionen Toten, die der letzte, von Deutschen begonnene, Vernichtungskrieg gemordet hat, nicht gerecht wird. Die offizielle Erinnerungskultur versucht mehr und mehr den Blutzoll, den vor allem sowjetrussischen Menschen geleistet
haben, um den Hitlerfaschismus zu bekämpfen, im Nebel der Geschichte verschwinden zu lassen. Auch die Sowjetrussen sind dem Rassenwahn Hitlers und seiner Schergen zum Opfer gefallen.
Die 27 Millionen Opfer, die der Überfall auf die Sowjetunion hinterlassen hat, sollten uns Mahnung sein, dass es kein schlimmeres Verbrechen gibt als Krieg.
Sie sollten uns jedoch auch gemahnen, die kleinen, fast unmerklichen Schritte hin zu einer größeren Kriegsgefahr wie ein Seismograph zu registrieren und Menschen, die Rüstung und Krieg weiterhin verteidigen, öffentlich anzuprangern. Alles andere verhöhnt die Opfer aller Kriege und macht ihr Sterben sinnlos. Diese Schuld sollten wir nicht auf uns laden.

Unsere Welt braucht massive Veränderungen oder um es mit Erich Fried zu sagen, dessen Geburtstag sich gerade zum hundersten Male jährt:
Wer will, dass die Welt so bleibt wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt. Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.