„Stadtbild“ – Friedrich Merz spaltet statt zu einen
Der Kreisverband Gelsenkirchen der Partei Die Linke verurteilt die jüngsten Aussagen von Bundeskanzler Friedrich Merz entschieden. Dieser hatte erklärt, „im Stadtbild“ sehe man noch ein Problem, das durch verstärkte Rückführungen gelöst werden müsse. Für Felix Langer, Kreissprecher der Linken Gelsenkirchen, ist diese Formulierung hochproblematisch. „Wenn ein Kanzler Menschen zum ‚Problem im Stadtbild‘ erklärt, dann richtet sich seine Aussage nicht gegen ein konkretes Fehlverhalten, sondern gegen eine Gruppe von Menschen, die allein durch ihre Sichtbarkeit als Störung markiert werden“, so Langer.
Durch den Begriff „Problem im Stadtbild“ werde nicht etwa auf einen spezifischen Missstand verwiesen – etwa Kriminalität oder soziale Not –, sondern eine diffuse Gruppe von Menschen, die im öffentlichen Raum sichtbar ist, pauschal als Belastung bezeichnet. „In Konsequenz werden Menschen mit vermuteter Migration oder sichtbarer Zuwanderung zur Ursache eines Problems erklärt“, erklärt Langer weiter. „Damit wird Vielfalt kriminalisiert und Zugehörigkeit infrage gestellt.“
Besonders deutlich werde dies durch die Wortwahl von Merz selbst. Im selben Atemzug, in dem er von einem „Problem im Stadtbild“ spricht, verweist er auf die Notwendigkeit von „Rückführungen in großem Umfang“. Für die Linke ist klar: Diese Verknüpfung ist kein Zufall. „Hier wird die Existenz von Menschen mit Migrationsgeschichte unmittelbar mit staatlicher Abschiebepolitik verknüpft“, kritisiert Langer. „Es geht nicht um Unterstützung oder Integration, sondern um die Vorstellung, dass Sichtbarkeit von Migration selbst ein Problem sei, das der Staat lösen müsse. Das ist nichts anderes als eine Entmenschlichung.“
Einen weiteren problematischen Akzent setzte Merz, als er seine Aussage später mit einem Hinweis auf „die Töchter“ verteidigte. Er sagte: „Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte.“ Damit legt er nahe, dass das angebliche „Problem im Stadtbild“ mit dem Sicherheitsgefühl junger Frauen zu tun habe – eine Argumentation, die seit Jahren von rechten Kräften genutzt wird, um rassistische Vorurteile zu schüren.
Lisa Schuhmacher, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Ratsfraktion Die Linke Gelsenkirchen, ordnet das deutlich ein: „Merz bedient hier ein bekanntes rechtspopulistisches Muster: Unter dem Vorwand, Frauen schützen zu wollen, werden rassistische Zuschreibungen reproduziert“, so Schuhmacher. „Das ist eine Instrumentalisierung von Frauenrechten für ausgrenzende Politik.“ Sie betont, dass die größte Gefahr für Frauen im öffentlichen Raum von Männern ausgeht – und zwar unabhängig von deren Aussehen oder Herkunft.
Diese Rhetorik steht aus Sicht der Linken in einer gefährlichen Tradition. Sie verschiebt die Debatte von sozialer Realität hin zu Äußerlichkeiten. „Merz bedient hier die alte Erzählung von der ‚Überfremdung‘ – ein Narrativ, das längst von der extremen Rechten stammt und inzwischen offenbar Teil des CDU-Mainstreams geworden ist“, so Langer weiter. „Das ist nicht nur unverantwortlich, sondern auch brandgefährlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“
Gerade in Gelsenkirchen zeige sich, wie falsch dieses Denken ist. Das Ruhrgebiet ist seit Jahrzehnten durch Migration geprägt. Mehr als 57 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Gelsenkirchen haben eine Migrationsgeschichte, in manchen Stadtteilen liegt der Anteil nichtdeutscher Einwohnerinnen und Einwohner bei über 30 Prozent. „Wenn diese Menschen fehlen würden, weil sie angeblich das Stadtbild stören, dann würde unsere Stadt nicht schöner oder geordneter, sondern ärmer und leerer“, sagt Langer. „Das Stadtbild von Gelsenkirchen ist kein Problem – es ist Ausdruck gelebter Realität.“
Besonders irritierend ist für die Linke, dass selbst lokale Medien diese problematischen Aussagen nicht klar zurückweisen. In einem Kommentar der WAZ habe der Leiter der Lokalredaktion, Sinan Sat, die Aussagen von Merz weitgehend unkritisch übernommen. „Gerade in einer Stadt, die ohne Migration gar nicht denkbar ist, sollte eine Zeitung Haltung zeigen“, so Langer. „Journalismus darf Macht nicht nachsprechen, sondern muss sie kritisch prüfen.“
Dass ausgerechnet ein Journalist mit eigener Migrationsgeschichte ein solches Narrativ weiterträgt, mache die Sache noch bitterer. „Wer weiß, wie sich Ausgrenzung anfühlt, sollte sensibler damit umgehen, wenn sie von oben kommt“, so Langer. „Wenn selbst Lokalredaktionen beginnen, rechte Sprachmuster zu normalisieren, verschiebt sich die Grenze des Sagbaren weiter nach rechts – und das bleibt nicht ohne Folgen.“
Die Linke fordert Friedrich Merz auf, seine Äußerung zurückzunehmen und klarzustellen, dass Menschen mit Migrationsgeschichte kein Problem, sondern Teil dieser Gesellschaft sind. Auch die Medien tragen Verantwortung, Begriffe wie „Stadtbild“ kritisch zu reflektieren und nicht unkommentiert weiterzugeben, wenn sie zur Abwertung von Menschen genutzt werden.
„Wir lassen uns nicht erzählen, wer dazugehört und wer nicht“, sagt Langer abschließend. „Vielfalt ist kein Makel. Sie ist das Fundament unserer Stadt und unserer Demokratie.“

