Linksjugend: Gewalt gegen Frauen in Zeiten der Corona-Pandemie

Eine Recherche der Linksjugend Gelsenkirchen über den Anstieg von Gewalt gegen Frauen während der Corona-Krise. Am 29. Januar ab 19 Uhr findet zum gleichen Thema eine Online-Veranstaltung des Kreisverbands in Kooperation mit der Linksjugend über Zoom statt. Trigger- und Content-Warnung für Betroffene von Gewalterfahrung.

Nachtrag: Das Video zur Veranstaltung kann hier über unseren YouTube-Kanal abgerufen werden.

Wir hätten diesen Text gern über Q-FLINTA*-Personen verfasst. Dies ist leider nicht möglich, da die Studien, auf die wir uns beziehen, nach dem binären Geschlechtermodell gehen, also lediglich männlich/weiblich unterscheiden. Der Richtigkeit halber verwenden wir daher "Frauen". Wir sind allerdings der Meinung, dass die Gewalt, die vom Patriarchat ausgeht, NICHT nur cis-Frauen betrifft. 

Erklärung: Q-FLINT ist eine Abkürzung für Queere bzw. genderqueere Menschen, für Frauen (das meint meist spezifisch cis hetero Frauen), Lesben, Inter Menschen, Nichtbinäre Menschen und Trans Menschen.

2019 wurden 141.792 Opfer von Partnerschaftsgewalt polizeilich erfasst, der Großteil von ihnen waren Frauen*. Insgesamt waren 81% der erfassten Opfer Frauen* und 19% Männer.

Es ist laut BKA von einem "erheblichen Dunkelfeld" auszugehen: Experten vermuten eine Dunkelziffer von etwa 80 Prozent. Bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Partnerschaften sind die Opfer zu über 98 Prozent weiblich. Alle 45 Min. wird in Deutschland eine Frau Opfer einer vollendeten oder versuchten Körperverletzung in ihrem häuslichen Umfeld. Alle 3 Tage wird eine Frau von ihrem Partner oder Expartner getötet.

 

Verschärfte Situation durch Corona-Pandemie

Aufgrund der Corona-Pandemie hat sich die Situation für Frauen* in Deutschland in puncto Gewalt laut einer repräsentativen Studie der Technischen Universität München allerdings noch verschärft. Die Befragung wurde im April und Mai unter 3800 Frauen* im Alter zwischen 18 und 65 Jahren durchgeführt. Sie ergab, dass 3,1% der Frauen* in Deutschland in der Zeit der strengen Kontaktbeschränkungen zu Hause Opfer körperlicher Gewalt wurden. 3,6% wurden von ihrem Partner vergewaltigt. Rund 4% haben emotionale Gewalt (Bedrohung, Kontaktkontrolle etc.) erlebt.
Während im Jahr 2019 bei der Hotline etwa 850 Beratungen pro Woche stattgefunden haben, sind es seit März letzten Jahres rund 1000 Beratungen wöchentlich. Alle 20 Min. geht eine Anfrage zum Thema Gewalt in Partnerschaften und ehemaligen Partnerschaften ein. Trotzdem holten sich nur 10% der Betroffenen Hilfe. 

Woran liegt das? Oft an den Auswirkungen der Gewalt, an Gefahr, Angst, am Stigma, aber leider oft auch an mangelhaften Hilfsangeboten für die Betroffenen. 2% der Frauen* durften ihr Zuhause nicht verlassen ohne Erlaubnis ihres Partners.Bei 5% der Frauen* wurde soziale Kontakte per Telefon etc. überwacht. Der Täter lebt oft im selben Haushalt. Anruf beim Hilfetelefon sind oft nicht möglich, wenn der Täter Kontrolle ausübt. 
Die Frauen*häuser sind überfüllt. Während Deutschland im Jahr 2020 ganze 45,2 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben für Militäraufrüstung u.a. übrig hatte, will der Bund in den Jahren 2020 bis 2023 insgesamt nur schlappe 120 Millionen Euro in den Aus-, Um- und Neubau von Frauenhäusern und Beratungsstellen in Deutschland investieren.

 

Sozialer Ausverkauf

Der Kapitalismus in der Corona-Krise enthüllt die Auswüchse der Probleme und Mechanismen, auf deren Basis er erbaut wurde: Wir sehen die Folgen struktureller und institutioneller Unterdrückung, Gewalt und Mehrfachdiskriminierung im Namen eines als sozial verkauften Profit-Systems. 
Das Gewaltrisiko hat sich in Haushalten, wo sich die Partner finanzielle Sorgen machen müssen, also z.B. Angst vor wirtschaftlicher Rezession oder Arbeitsplatzverlust aufgrund der Krise haben, mehr als verdoppelt. Ohne Geldsorgen waren 2% und mit Geldsorgen 8% von häuslicher Gewalt betroffen. In Haushalten, in denen der Betreuungsaufwand besonders hoch ist, wie z.B. bei unter 10-jährigen Kindern, steigt die Partnerschaftsgewalt von 2% auf 6%, das Risiko von Gewalt an Kindern von 5% auf 9%.

 

WIR FORDERN

  • Online Notfall- und Hilfsangebote, da Hilfetelefone oft für Betroffene nicht zugänglich sind.
  • Notbetreuung für überforderte Haushalte, nicht nur für Eltern, die in systemrelevanten Bereichen arbeiten, um Gewalt vorzubeugen.
  • Hilfsangebote und Studien für und mit Q-FLINTA*-Personen und für andere Diskriminierungsformen, da diese sich gegenseitig beeinflussen. So erleben z.B. BIPOC-Frauen* gegenderten Rassismus.
  • Mehr Ausgaben für den Ausbau von Frauen*häusern und Beratungsstellen, sowie für die sichere Unterbringung Betroffener in ungenutzten Hotels und Ferienwohnungen während der Corona-Pandemie.

 

Notruf für vergewaltigte und sexuell missbrauchte Frauen und Mädchen

Adresse: Robert-Koch-Straße 18   45879 Gelsenkirchen (Neustadt)

Telefon: 0209 207713

Fax: 0209 207763

E-Mail: frauenberatung-ge@gmx.de

Website: http://www.frauenberatung-ge.de

Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche: 116111

Elterntelefon: 0800 111 0550

Pflegetelefon: 030 2017 9131

Hilfetelefon für Schwangere in Not: 0800 404 0020

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 0800 011 6016

 

QUELLEN