Einzelansicht (SINGLE)

Sanktionen statt Jobs

Bundesagentur für Arbeit vermittelt immer weniger Erwerbslose. Jeder dritte muss in die Leiharbeit

Bundesagentur für Arbeit vermittelt immer weniger Erwerbslose. Jeder dritte muss in die Leiharbeit

Von Susan Bonath

 

Für Erwerbslose ist es sehr viel wahrscheinlicher, vom Vermittler für ein Fehlverhalten bestraft zu werden, als eine auskömmliche Arbeit angeboten zu bekommen. So ist die Zahl der durch die Jobcenter im vergangenen Jahr verhängten Sanktionen dreieinhalbmal so hoch wie die Zahl der von diesen und den Arbeitsagenturen zusammen in Arbeit vermittelten Erwerbslosen. Bei einem Drittel der vergebenen Stellen handelte es sich zudem um Leiharbeit. Das geht aus einer aktuellen Regierungsantwort auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag hervor.

Danach verhalfen die Behörden insgesamt 266.000 Erwerbslosen zu einem Job. Das waren 25.000 weniger als 2013. Rund 87.000 Vermittelte mussten mit einer Zeitarbeitsfirma vorliebnehmen. Die meisten der Betroffenen hatten zuvor Arbeitslosengeld I bezogen, etwa 35 Prozent kamen aus dem Hartz-IV-System.

In beiden Rechtskreisen betreuen Arbeitsagenturen und Jobcenter zusammen mehr als 5,2 Millionen erwerbsfähige Personen. Allerdings stockt die Mehrheit der 4,4 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Bezieher einen Verdienst auf, der nicht zum Leben reicht. So gelten für die Bundesagentur für Arbeit (BA) weniger als 40 Prozent dieser Leistungsberechtigten als »arbeitslos«.

Wie die Bundesregierung weiter schreibt, stockten im vergangenen September auch 48.000 Leiharbeiter mit Hartz IV auf. Im Bereich der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten, die zusätzlich Geld vom Jobcenter benötigten, machte ihr Anteil etwa 7,4 Prozent aus. Insgesamt existierten Mitte letzten Jahres laut Regierung 52.214 Zeitarbeitsfirmen in Deutschland – vier Prozent mehr als 2015. In diesen arbeiteten mehr als eine Million Beschäftigte. Drei Viertel von ihnen verfügten über einen Berufsabschluss. Die Zahl der Leiharbeiter stieg damit binnen Jahresfrist um 40.000; dieser Trend setzt sich fort. Darüber hinaus seien vergangenes Jahr 832 Personalverleiher aus anderen EU-Ländern in der Bundesrepublik tätig gewesen, heißt es weiter. Die überaus meisten dieser Unternehmen seien in Polen ansässig.

Sehr viel forscher als bei der Arbeitsvermittlung gingen Jobcenter beim Bestrafen ihrer Klienten vor. Letztes Jahr belegten sie rund 416.000 Hartz-IV-Bezieher mit knapp 940.000 Sanktionen. Demnach mussten zahlreiche Betroffene mehrere Kürzungen ihres Existenzminimums um zehn bis 100 Prozent hinnehmen. Diese Strafmaßnahmen wegen mangelhaft wahrgenommener »Mitwirkungspflichten« gelten in der Regel für einen Zeitraum von drei Monaten.

Dabei gehen die Jobcenter sehr unterschiedlich streng vor. Das besagen gemeinsame Nachforschungen des Recherchekollektivs Correctiv und des US-Nachrichtenportals Buzzfeed. Wie letzteres am Dienstag berichtete, werden in einigen Städten besonders viele Menschen unter das Existenzminimum gedrückt. Manche Jobcenter kürzen zudem deutlich mehr Geld als andere.

Im oberbayrischen Rosenheim mussten demnach 2016 stets etwa sieben Prozent der Hartz-IV-Berechtigten zeitweise von weit weniger als der Grundsicherung leben. Ähnlich hohe Quoten erreichten der Landkreis Südwestpfalz und die thüringische Stadt Gotha. Die niedrigsten Sanktionsquoten von einem Prozent oder darunter verzeichneten hingegen die Behörden in Landshut und Freising in Bayern sowie im hessischen Hochtaunuskreis. Das Amt in der Südwestpfalz verhängte die höchsten Strafen, wie es weiter heißt. Es kürzte Betroffenen im Schnitt 37,5 Prozent der Leistung, mehr als 150 Euro. Im Main-Taunus-Kreis betrug das mittlere Strafmaß dagegen »nur« 11,5 Prozent.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales führte das auf Nachfrage von Buzzfeed auf »die unterschiedliche Arbeitsmarktlage« zurück. Es gebe keinen Handlungsbedarf, sagte ein Sprecher. Für die Linke-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann zeigt sich darin eine amtliche Willkür. »Wir reden ja nicht davon, dass die Leute viel Geld haben, sondern denen wird von dem Nichts, was sie haben, noch was weggenommen«, sagte sie. Gerade junge Menschen würden häufig obdachlos und müssten bei Freunden um Essen betteln. »Das zu verursachen, finde ich schon sehr schäbig«, so Zimmermann.